Das Lagerfeuer

Kelgar rannte wie ein wahnsinniger durch den Wald. Die Banditen waren sich gleich bei ihm, er musste hier weg... wo war Loren nur? Er hatte sie irgendwo an der letzten Wegkreuzung verloren. Oh ihr Götter... hatte jetzt wirklich seine letzte Stunde geschlagen?

Er rannte weiter. Mehrere Male fiel er schmerzhaft auf den harten Waldboden, doch er musste hier weg!

Plötzlich waren keine Bäume mehr da... eine Lichtung, und zu allem Überfluss auch noch ein Feuer und ein paar Leute! Um Himmels willen, das waren sicher noch mehr Banditen. Und wieder fiel er, doch er kroch wieder zurück ins Unterholz, um sich zu verstecken. Bei dem Krawall den er veranstaltet hatte, war es seeeehr unwahrscheinlich, das nicht sogar die Leute in der nahegelegenen Stadt ihn gehört hatten, doch er blieb jetzt liegen und versuchte sich zu beruhigen.

"Oh bitte bitte... Loren hilf mir!" flüsterte er zu sich selbst, während er versuchte zu erkennen, was auf der Lichtung geschah.

"Bei den Seldarin!", die junge Elfe und eilte auf die Stelle zu, wo sie meinte, den Schatten gesehen zu haben, der noch vor kurzem ins Licht hineingeplatzt war.

"Komm raus, komm raus.", rief sie verspielt. Vielleicht ein verwundetes Tier? Es war so schnell gegangen, sie hatte nur aus den Augenwinkel einen Schatten beobachetet, der ungelenk sich ins Gebüsch geschlagen hatte.

Sehr langsam und bedächtig ging sie in die Hocke, suchte zwischen dem Grün nach einer Bewegung.

Als er erkannte, dass eine der Personen auf ihn zukam, schnürte ihm die Angst fast die Luft ab. Die Person hockte nun genau vor dem Gebüsch, in dem er lag. Er tat das einzige, das ihm noch einfiel von den vielen Tipps die Loren ihm gegeben hatte, er bewegte sich nicht und verhielt sich still. Doch schon nach wenigen Augenblicken rutschte er mit dem Arm mit dem er sich aufstützte weg, und zerbrach gleich mehrere Zweige auf dem Boden... jetzt war es sicherlich um ihm geschehen...

"Oh bitte bitte, tötet mich nicht... ich habe kein Gold... bitte verschont mein Leben..." wimmerte er während er weiter zurückkroch

"Töten? Euch töten? Gäbe es einen Grund dazu?", kam es verwundert von der Elfe.

"Kommt doch erst einmal hervor und lasst dem Busch seine Zweige. Die Tiere werden es Euch danken."

Ein paar Schritte ging die Elfe zurück. Der Mann, um was es sich offensichtlich handelte, war ihr nicht gänzlich geheuer. Warum meinte er sich verstecken zu müssen?

Sie versuchte sich zu versichern. "Wirke ich derart bedrohlich auf Euch?"

"Ihr... ihr seid keine Banditin?" stammelte er vollkommen verstört. Er wartete noch einige Augenblicke, doch dann kroch er vorsichtig aus dem Busch hervor und sah die Person an. Es war eindeutig eine Elfe, aber den Stamm konnte er nicht zuordnen... vielleicht eine Sin´drasil... nein wohl eher nicht.
Er stand auf, und klopfte sich die Zweige vom Mantel.

"Ich... ich wollte euch nicht stören, es tut mir Leid! Ich bin vor Banditen geflohen, sie müssen wirgendwo dort hinten sein... ihr müsst mir helfen... ich bin von meiner Gefährtin getrennt worden..."

Wo war dieser verflixte Bengel nun schon wieder? Kelgar war auf einmal wie von einer Tarantel gestochen losgerannt, dabei waren das im Unterholz nur ein paar Wildschweine die er aufgescheucht hatte... nun hetzte Loren durch den Wald, immer den Spuren ihres Schützlings folgend. Warum musste ausgerechnet ER es gewesen sein?
Als sie in einiger Entfernung eine Lichtung entdeckte, atmete sie erleichtert auf, denn sie sah ihren Begleiter, der sich scheinbar mit emandem unterhielt. Sie hatte keine Geduld, sich erst heranzuschleichen, also ging sie geradewegs auf die Lichtung und stellte sich zwischen die beiden.

"He, was wollt hir von ihm? Lasst ihn in Ruhe!" herrschte sie die junge Frau an, die ihm gegenüber stand.

Sein Herz machte enen Freudenhüpfer, als er Loren sah. Endlich hatte sie ihn gefunden. Als sie jedoch die Elfe anherrschte, musste er einschreiten.

"Nein Loren, sie ist kein Banditin... lass sie in Ruhe... bitte. Hast du die Banditen verjagt, die mich verfolgt haben?"

Bei seinen letzten Worten schaute er sich verängstigt um, nur um sicher zu gehen.

Sie schenkte ihrem Schützling einen bitterbösen Blick, unter welchem jener erschrocken zusammenzuckte

"Du Idiot!" herrschte sie ihn an
"Das waren Wildschweine... WILDSCHWEINE! Wenn du nicht so ein erbärmlicher Feigling wärst, dann hätte ich dich jetzt nicht quer durch den Wald jagen müssen!

Wieder an die Fremde gewandt sagte sie in einem nur geringfügig freundlicherem Ton
"Wenn ihr keine Banditin seid, dann tut es mir Leid wenn er euch belästigt hat... was tut ihr hier?"

"Tut mir Leid..." murmelte er kleinlaut und schaute betroffen zu Boden.

"Offensichtlich ist sie eine Elfe... Sin´drasil, Quarai und Vulenti schließe ich aus... vielleicht vom Stamm der Farras´til? Hab ich recht?" fragte er die Fremde mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht.

"Oh ... hmmm..." Die ruhige Elfe, welche nicht viel Trubel gewohnt war, hatte spürbar das Gefühl, in die Zange genommen worden zu sein.

"Ich bin eine Teu-Tel'Quessir und gehöre bei den Sehanitern zu den Anhängerinnen des Totenkultes - aber ich schätze, dieses wird Euch wenig sagen.
Ich bin wohl das, was Ihr am ehesten als eine Seherin bezeichnen würdet. Nun... nicht, dass ich viele Visionen habe. Um ehrlich zu sein kann ich bislang nur ein paar kleine Wunden heilen.", meinte sie mit einem Glucksen.

"Und was ich hier mache - ich gebe hier Schutz für die Lebenden, Licht, Nahrung und Ruhe. Habt Ihr... Hunger?", fragte sie zaghaft, rieb sich unsicher das Kinn.

"Teu-Tel'Quessir... gut dafür hätte ich wohl einige Hintergrundinformationen gebraucht. Aber ihr irrt euch, ich habe schon von eurem Stamm gehört, und spreche auch einige wenige Worte... allerdings nicht viel..." entschuldigend lächelte er und sah dann seine Begleiterin an

"Loren... es tut mir Leid, dass ich so schnell weggelaufen bin... aber sie meint es doch nur gut... lass und kurz hier rasten, ich bin müde und habe Hunger..."

Er wusste wie misstrauisch Loren war, und versuchte nun sie davon zu überzeugen, dass es klug wäre eine kostenlose Mahlzeit zu bekommen.

Jetzt ging das schon wieder los... Kelgar und sein unstillbarer Hunger nach Wissen. Sie wandte sich theatralisch seufzend von den beiden ab und sprach scheinbar zur Lichtung selbst:

"Meinetwegen rasten wir hier, aber wenn du noch mal einfach wegrennst, dann kannst du sehen wie du allein zurechtkommst, haben wir uns verstanden?"

Sie zeigte auf die Krüge und Schalen. "Bedient Euch. Sie sind für alle da."

"Ihr seid sein Mentor, werte Dame?", fragte die Elfe offen und neugierig, als sie sich zum Feuer gesetzt hatte und aus einem Kelch eine dunkle Flüssigkeit süffelte. Schmunzelnd beobachtete sie die beiden. Es kam ihr reichlich bekannt vor.

Verdutzt schaute sie die Elfe an, als sie sich neben das Feuer hockte.

"Nein, so würde ich das nicht nennen... ich habe meine Pflicht zu erfüllen, und ihn zu beschützen. Das ist etwas kompliziert, aber meine Ehre zwingt mich dazu...

Vielen Dank, Gastfreundschaft findet man nicht mehr oft in jenen Tagen."

Sie nahm sich etwas Wein und hielt auch Kelgar etwas von dem Alkohol hin.

Kelgar saß etwas weiter abseits vom Feuer, und begann sofort damit, seine Feder und sein Tintenfässchen in seinen Manteltaschen zu suchen, um in sein Buch einzuschreiben. Als er bemerkte, dass Loren im Wein anbot, schüttelte er nur mit dem Kopf und schlug den Buchdeckel auf.

"Also, werte Elfe, wie heißt ihr, wenn man fragen darf?"

"Jetzt trink schon du Muttersöhnchen! Das ist kein Alkohol... nur Wein. Und man stellt sich erst selbst vor, bevor man nach dem Namen einer Dame fragt, das weiß ja selbst ich!

Ich bin Loren Darsu´ka vom Stamm der Kashy´ik, und mein Begleiter heißt Kelgar."

Sie stellte den Wein neben Kelgar auf den Boden und warf ihm erneut einen bösen Blick zu...

Kurz beäugte sie neugierig den Buchdeckel, gab jede Art der Identifizierung auf. Mit der Schrift konnte sie nichts anfangen.

"Es ist auch Wasser und kalter Kräutersud da.", gab die Elfe versöhnlich von sich, betrachtete die beiden. Wie Zwerg und Elf waren die beiden nicht. Aber Menschen behandelten manchmal ihre Hunde so. Oder ihre Kinder. Wahrscheinlich gab es ohnehin nicht so viele Unterschiede im Behandeln.
"Es muss eine Ehre sein, eine derart wichtige Pflicht zu erhalten, auf ein anderes lebendiges Wesen zu achten. Nicht jeder erhält ein derart großes Privileg. Ihr müsst ein guter Beschützer und Mentor sein, wenn man Euch ein Leben anvertraut.", meinte sie anerkennend und prostete beiden zu, nippte.

"Nennt mich Cythi. Oder Onyxflügel, wenn dieses einfacher fällt."

"Die Sache ist wohl etwas komplizierter als ihr denkt. Ich hatte weder eine Wahl, noch hätte ich je gedacht, dass es dazu kommen würde.
Er hat mir das Leben gerettet, vollkommen ohne Eigennutz oder Hintergedanken, und laut den Gesetzen meiner Ahnen habe ich ihm nun zu folgen und ihn zu beschützen, bis er mich aus dieser Pflicht entlässt...

Was wohl noch eine ganze Weile dauern wird, habe ich Recht?" fragte sie Kelgar direkt. Ihr Ton schien eine Mischung aus Vorwurf und Langeweile zu sein.

"Ich darf wohl erst damit aufhören, wenn er seine dämlichen Träume aufgibt, und endlich anfängt aus seinem Leben etwas zu machen..."

"Hör bitte auf immer auf mir herumzuhacken..." murmelte er kleinlaut, und schlug das Buch wieder zu.

"Das sind keine Träume... ich hab dir das doch schon erklärt, ich weiß, dass es funktionieren wird... glaub mir doch einmal..."

"Oh.", gab die Elfe von sich.
"Und doch kann er nicht so nutzlos sein, wenn er Euch einst nutzlos geholfen hat?" Es war mehr wie eine Frage formuliert. Die Dame erinnerte sie ein wenig an einen alten zwergischen Gefährten, so die Nachricht kam, dass der Met alle war. Es war schwer einzuschätzen, wie die Dame Loren auf zu viel Einsprüche reagieren würde.

"Was ist das für ein Traum, von dem ihr sprecht?", fragte sie an beide gewandt. Sie würden es schon mitteilen, so sie ihre Fragerei leid sein würden.

"Nein... nutzlos ist er nicht... aber bild dir ja nicht zu viel darauf ein, Bürschchen!"

Loren wusste genau, wozu er im Stande war, aber die meiste Zeit stand er sich und seinen Fähigkeiten selbst im Weg.

"Na los erzähl es ihr schon... mehr als lächerlich machen kannst du dich ja nicht, oder?"

"Ähm... naja..."

Loren hatte recht... er hatte sich damit schon sehr oft lächerlich gemacht, und er genierte sich auch etwas dafür, aber immerhin schien die Elfe nicht sonderlich gehässig, sodass er doch noch den Mut fasste davon zu erzählen.

"Also... früher... da hab ich bei einem mächtigen Magier gelebt und gelernt. Er war von einer ganz bestimmten Idee besessen, und zwar die Bibliothek der Ewigkeit zu finden. Für viele ist es nur ein Märchen, eine Geschichte, die man kleinen Kindern erzählt, doch er hatte Beweise für ihre Existenz. In dieser Bibliothek wird von Anbeginn der Zeit mit uralter und mächtigster Magie das Wissen der gesamten Welt gesammelt... so erzählt man sich zumindest. Eines Tages kam ein Mann zu uns... schwer verletzt und mit seltsamer Kleidung... er hatte dieses Buch hier bei sich. Wir verstanden seine Sprache nicht, doch versuchten wir ihn zu pflegen. Allerdings starb er am siebten Tag, doch mittlerweile hatte er genug gesprochen, um einige Wörter übersetzen zu können.
Wir haben nur einen Reim und ein Rätsel... mehr konnte er uns nicht geben, aber es scheint so, dass beides auf die Bibliothek und den Ewigen Archivar, den Leiter der Bibliothek hindeutet. Und dieses Buch ist auch eni eindeutiger Beweis... alles was man hineinschreibt, egal in welcher Sprache, verschwindet, sobald man das Buch schleßt. Mein Meister vermutete, dass das Wissen auf irgendeine Weise in die Bibliothek gelangt, damit dass Buch nie voll wird... mehr weiß ich leider auch nicht, da wir nicht dazu gekommen sind, das Rätsel zu lösen, bevor..... naa... bevor ich gegangen bin."

Er brach abrupt ab und starrte nun in die Falmmen... er hatte genug geredet.

"Wessen Wissen?", fragte die Elfe lediglich, nachdem sie ein paar Momente nachgedacht hatte.

"Wessen Wissen... nun das ist eine gute Frage. Die Legenden erzählen nur vom gesammelten Wissen der ganzen Welt. Bei näherer Betrachtung der Sachlage ergibt sich jedoch eindeutig folgendes: Es ist unmöglich das Wissen eines jeden Einzelnen zu sammeln, aber wir vermuteten, dass die Geschichte eines jeden Volkes, eines jeden Helden und jeder Kultur dort verborgen ist. Auch die längst vergessenen Sprachen, Kulturen, Traditionen... einfach alles... aber wer weiß das schon. Bevor niemand sie findet, kann das leider keiner sagen. Ich weiß, dass es albern klingt... aber ich habe mein komplettes Leben mit dem Meister nach ihr gesucht... und... naja... ich will sie nicht aufgeben..."

Er wirkte nun niedergeschlagen und traurig, und widmete sich nun lieber seinem Tee.