Das Lagerfeuer

Die Elfe überlegte. "Ja. Ja, es existieren einige. Ich denke, ich erzählte Euch bereits den von dem Vampiren, der sich in eine Elfe verliebte."

Etwas unsicher legte sie den Kopf schief. "Oder irre ich mich?"

"Habt ihr? Nun ja, erlich gesagt könnte ich mich nicht daran erinnern. Aber wollt ihr sie, wenn dem so sei, nicht einem alten Zwergen zuliebe nochmals rezetieren?"

"Wenn, also wenn Ihr dieses möchtet, gerne. Sehr gerne."

Nachdenklich tippte sie sich mit dem Zeigefinger an die Unterlippe.

"Die Geschichte wird stets anders erzählt. Die Figuren haben Namen. Alt bekannt und ehrwürdig. Erlaubt mir etwas freiheit in der Erzählung, die Botschaft wird die Gleiche sein.

Es lebte vor langer Zeit eine Elfe, welche sich in einen Menschen verliebte. Ja, solches mag vorkommen, wenn es auch selten ist. Noch seltener ist es, da er die Liebe und nicht nur die Lust erwiederte. Ihre Sippe konnte solches nicht unter ihnen gut heißen. So zog sie eines Tages aus, um mit ihm zu leben.

Aber wie die Jahre vergingen, so zeigten sich die ersten Falten an seinem Gesicht. Die Elfe wurde sich seiner Sterblichkeit bewusst und ward verzweifelt, würde ihre Liebe doch bis in alle Ewigkeit andauern und mit seinem Tode der Schmerz.

Sie wandte sich an ihre Siedlung, fragte, ob dem Menschen irgendwie das ewige Leben beschert werden könnte. Doch das Oberhaupt verneinte. Solches wäre gegen die Natur. Des Menschen Leben sei auf eine kurze Zeit bestimmt. So war es und so würde es immer sein.

All dies erfuhr auch ein dunkler Lord, welcher sich, seit er sie sah, selbst in die Elfe verliebt hatte. Er bot ihr Trost an und sie klagte ihm sein Leid.
"So Ihr für ihn Ewigkeit möchtet,", antwortete ihr der Lord, "kann ich ihm diese Ewigkeit gewähren. Doch als Preis verlange ich, dass Ihr bei mir bleibt."

Ruhigen Gewissens ging die Elfe den Tausch ein. Mochte ihr Körper nicht bei ihrem Geliebten sein, so wusste sie doch, dass sie ihr Herz bis in alle Ewigkeit ihm schenken können.

Doch ach, wie erschrak sie, als der Lord sich als ein Vampir entpuppte. Er biß ihren Geliebten und machte ihm sich zum Untertan. Verbittert krisch die Elfe auf, weigerte sich, den Handel einzugehen. In ihrem Zorn und ihrem Hass, ihrer Trauer und Verzweiflung kehrte sie sich von allein Heiligkeiten der Natur ab. Das Kreischen ward so bitter, dass die Zweige verdorrten, die Tiere erstarrten, das Moos aufhörte zu wachsen und eine Totenstille über sie einherkehrte. Ihr Körper ward verfallen, doch zurück blieb der untote Geist der Elfe, untot, doch derart noch von Hass und Bitterkeit erfüllt, dass sie nicht ruhen konnte.

So erzählt man, ward eine Banshee geboren, deren Schluchzen im Wald zu hören ist, wenn die Blätter sich nicht trauen zu zittern und die Tiere sich nicht rühren.

Die Todesfee mag die Lehre sein, dass man - und sei der Wunsch noch so groß - sich stets erinnern soll, wo die Wurzeln sind. Nichts rechtfertigt das Böse, sucht dieses doch stets eine Möglichkeit, über das Gute zu triumpfieren und klingt es noch so süß."

Den letzten Worten nachhängend sah der Zwerg in das Feuer. Die Feder stand still in seiner Hand. Eine weitere Ladung Wissen, die er sich angeeignet hatte.
"Eine interessante Geschichte. Sehr tragisch . . Sagt, Frau Cythi, ist dies eine wahre Begebenheit? Oder nur eine moralisierende Geschichte?"

Sie legte den Kopf schief wie zu einem Schulternzucken, ließ einen weiteren Holzscheit über die abgebrannte Glut fallen.

Wie sie schon da stand, ließ sie ein paar Kartoffeln ebenfalls hineinplumsen, so, dass sie sich nicht verbrennen würden.

"Ein Elf, der Lügenmärchen erzählt, sollte besser gar nichts erzählen, pflegte der Hohepriester unserer Siedlung stets zu sagen.", meinte sie schließlich und hob dieses mal tatsächlich die Schultern an.

"Also hättet ihr auf seinen Rat gehört und demnach ist diese Geschichte wahr? Wo und wann geschah das alles dann?"

Ein durch die hineinfallenden Kartoffeln herausspringendes Glutteilchen landete auf dem alten Lederstiefel des Zwergs und er beeilte sich, es wegzufegen. Er warf der Elfe einen kurzen, vielsagenden Blick zu und lehnte sich dann wieder zurück.

"Ein Hohepriester also . . Habt ihr viel mit Religion am Hut?"

"Ja... nein... ich... ähm... ich hatte."

Sie blickte auf die Kartoffel. "Ent... entschuldigt. Ich wollte sie nur rösten."

Etwas beschämt versuchte sie wieder auf das andere Thema zu lenken. Auch wenn sie selbst nicht sagen konnte, was sie mehr bedrückte.

"Ich war wohl einst gesegnet und prädistiniert mit der Natur umzugehen. Aber... ich habe es als zu selbstverständlich angesehen. Es nicht gewürdigt, geschätzt. Mittlerweile habe ich wohl die Gunst wieder etwas erweckt.
Manchmal gewährt mir die Göttin, leichte Wunden zu heilen, die Erde etwas zu bewegen. Manchmal mögen mich auch Dornen beschützen. Doch bis ich wieder dort bin, wo ich einst stand, mögen noch Jahrhunderte vergehen.", meinte sie mit einem Seufzen.

"Fragt mich nicht, wer die Elfe war, woher sie kam. Oder wer der Mensch gewesen war. Sie sind wohl Geschehnisse. Doch sie sind zu lange her, als dass ich mich erinnern könnte. Leider war mein Gedächnis dafür nie recht groß.", gestand sie.

Glângaw merkte, dass dies wohl nicht das Lieblingsthema der Elfe sei und bemerkte tröstend: "Nun, ihr habt wohl noch einige Jahrhunderte vor euch oder? Ihr habt noch nicht einmal Krähenfüße, da werden euch ein paar Jähren auch nichts mehr anhaben können." Er hoffte, dass die Worte positiv ankamen.

"Wozu wart ihr denn davor in der Lage? Falls ich fragen darf, ohne in eure Spiritualität eingeweiht zu sein."

"Krähenfüße?" Nun lachte sie doch auf. "Ich denke, das kann lange dauernd. Sehr lange."

Sie holte eine der Kartoffeln heraus, öffnete sie mit einem Messer. Dampf stieg auf.
"Die meisten sahen nicht so anders aus als ich. Die Haut wird vielleicht etwas glatter. Wirkt weniger... weniger flaumig. Und die Gesichtszüge härter. Obwohl ich nicht weiß, ob das mit dem Leben oder dem Alter zu tun hat.

Falten wie Krähenfüße sieht man selten bei uns. Meistens mit Anstrengung verbunden, die an den Lebenskräften zehrten. Aber sie reden nicht davon."

Vorsichtig fasste sie die Kartoffel an. Noch zu heiß.
"Wozu ich in der Lage war...sagen wir, ich war sehr gut darin, über Leben zu entscheiden - die Wurzeln zu stärken, verkümmern zu lassen, Symbiosen zu erstellen. Und das mit allen Lebewesen.
Zu viel Macht für eine kleine naive Elfe, die das Leben nicht wirklich zu schätzen weiß. Nun, mit jeder Erkenntnis mehr gewährt mir die Göttin einen Schritt mehr, einen Blick weiter.

Gibt es bei Euch Zwergen auch Magie?", fragte sie ihn interessiert.

Er war froh darüber, dass seine Aussage die Elfe erheiterte. "Wahrscheinlich würden sie euch sogar gut stehen. Ich fand das bei Zwerginnen immer anziehend", fügte er mit einem Zwinkern hinzu.

"Interessant . . Nun, ohne euch zu nahe treten zu wollen, darf ich fragen ob ihr diese Macht denn Missbraucht habt und irgendwelche Missgeschicke passiert sind?" Glângaw zog eine Augenbrauche hoch. "Und zu eurer Frage: ja es gibt auch unter Zwergen Magie. Allerdings ist sie zum einen seltener, zum anderen wird Magie in der zwergischen Gesellschaft nicht sehr hoch geschätzt. Was ich allerdings für falsch halte. Ich selbst wäre gern mit dem Geschenk der höheren Mächte gesegnet." Er seufzte. "Allerdings gab es auch schon Fälle, in denen sich die Magie erst im Verlauf des Lebens zeigte, ich habe die Hoffnung also noch nicht aufgegeben", meinte er erheitert. "Allerdings wäre ich nicht in der Lage, Leben zu erschaffen. Unsere Magie ist von anderer Art."

"Nebenbei, wollt ihr mir vielleicht eine dieser köstlich aussehenden Kartoffeln anbieten?" fragte er mit hoffnungsvollem Blick.

"Nehmt Euch, wenn Ihr wollt. Aber seid vorsichtig, wenn Ihr andere aus dem Feuer holt."

Sie hielt ihm eine der aufgetrennten und bereits gekühlten Hälften hin.

"Ich habe meine Macht einst missbraucht und meine Sippe dem Ruin ausgeliefert. Beides, weil ich glaubte, im Recht zu sein. Zu viel Macht verdirbt. Auch mit den besten Absichten. Wobei Letzteres nicht auf Magie basierte. Ihr kennt wahrscheinlich den Begriff: Der Wolf im Schafspelz oder wie die Menschen sagen? Nun, ich glaubte, ein Schaf in die Siedlung zu leiten.
Letztendlich bin ich klüger. Und doch - nun, es macht so Vieles nicht rückgängig."

Sie wirkte etwas wehmütig, doch schien es auf ihre Weise abgeschlossen zu haben.
"Erzählt mir mehr von der Zwergenmagie, bitte. So Ihr möchtet."
Nur ungerne wollte sie ihn mit Gedanken quälen. Doch war sie interessiert, wonach er strebte.

Dankend nahm er die Hälfte an und schlang sie beinahe ganz hinunter.

Da es für die Elfe keine angenehme Sache zu sein schien, entschied sich Glângaw, sie nicht weiter danach auszufragen.

"Nun, einige Zwerge besitzen die Macht, Runen Magie einzuhauchen. Dies sind vor allem die Priester, und meist bewirken sie nur kleine Sachen, etwa einem neuen Stollen die Rune der Standfestigkeit einzugeben oder einen Verband mit heilenden Kräften zu versehen. Nützlich, aber nicht allzu umwerfend. Im Vergleich dazu gibt es auch einige wenige Zwerge, welche die Magie nutzen, um die Essenz der Berge zu beeinflussen. Es wird berichtet von unverwüstbaren Toren, die sich aus dem Boden schoben, und von geschmolzenem Erz, das sich über die dunkle Brut der Orks ergoss. Allerdings weiß ich nicht, ob noch ein solcher am Leben ist.."

"Sind sie denn verschollen?", fragte Cythi.
"Ich dache, solche Kräfte müssen hoch genug angesehen sein, um sie weiterzugeben. Warum sollten sie also nicht noch am Leben sein?"

"Verschollen oder tot. So wie alle Zwerge nach dem Fall Akarjas.. Ich weiß es jedenfalls nicht. Ihr habt schon recht, ihre Kräfte ermöglichen ihnen wahrscheinlich eher ein Durchkommen, aber bedenkt, dass solche Kräfte auch eher die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich lenken, und wenn dieser Shagran auch nur halb so mächtig ist, wie ich zu glauben weiß, kann ich wahrlich nichts mit Sicherheit sagen.."

"Warum hatte man es auf euch abgesehen?", wollte sie wissen.
"Ich meine, da sind derartig viele magische Wesen. Warum sollte man sie nicht in Ruhe lassen. Und warum sollte man ohnehin Eure Rasse ausrotten wollen?"

"Erlich gesagt . . ich weiß es nicht. Aber ich habe vor es eines Tages herauszufinden." Mit entschlossenem Gesichtsausdruck blickte Glângaw in die helle Glut. Dann sah er auf, direkt in die Augen der Elfin und fragte mit stechendem Blick "Denkt ihr, ich könnte in euch eine Verbündete für ein solches Unterfangen finden?"

"Um ehrlich zu sein...", meinte die Elfe und holte zwei weitere Kartoffeln aus dem Feuer. Die eine rollte sie Nerbeleth zu.

"... das wollte ich Euch selbst fragen. Es interessiert mich selbst. Alte Kulturen verschwinden. Nicht minder alt als die Elfen selbst. Durchaus... möglicherweise immer noch eine Gefahr.", meinte sie.

Geschickt fing er die Kartoffel ab und zückte sein Messer um an sein Essen zu kommen.

"Ihr wärt also bereit? Es stimmt, alte Kulturen verschwinden, doch will ich den Untergang der Zwerge nicht erleben. Nun .. meine Idee war es, in die Berge zu ziehen und herauszufinden, wie die Dinge dort stehen. Vielleicht haben sich immer noch irgendwo Zwerge verschanzt, vielleicht finden wir die Wurzel dieses Bösen .. So oder so, es wird nicht ohne Gefahren sein. Andererseits .. ihr habt ja mich und meinen Bruder dabei," bemerkte er mit einem Lächeln. "Ich denke, er würde sich genauso über eure Gesellschaft freuen."

"Ich werde nicht töten, wenn es sich vermeiden lässt.", erklärte sie direkt. "Aber keine Sorge, ich habe es bislang geschafft zu überleben.", meinte sie mit einem Kichern. "Obwohl ich noch nie im Gebirge gewesen bin. Ich denke, ich werde daher Euren Schutz und Rat sehr gerne annehmen.

Wo wollt Ihr anfangen zu suchen?" Cythis Magen knurrte. Aber sie wartete geduldig.

"Nun, sonst wärt ihr wohl kaum hier", bemerkte Glângaw mit einem Grinsen. "Aber ihr könnt euch wirklich auf uns verlassen. Wir Zwerge kennen die Berge wie unsere Westentasche."

"Nun, ich hatte vorgehabt zu den Bergen zu ziehen und mich auf dem Weg nach Berichten umzuhören. Wenn wir dort sind . . Es gibt einige geheime Eingänge zu der Stadt, mit etwas Glück könnten wir unbemerkt hineingelangen. Alles andere . . wird sich dann ergeben."

Die Elfe dachte nach. Zumindest war es ein Ansatz.
"Vielleicht findet man in den Ruinen alte Stätten, Aufzeichnungen, Tagebücher oder Anzeichen, wohin sie gewandert sind.", meinte sie und nickte.

"Ich werde Euch sehr gerne begleiten."

"Entweder das, oder wir finden sie höchstpersönlich. Mir wäre zwar das zweitere wilkommener, aber ich würde mich über jeden Hinweis freuen. Und wer weiß, vielleicht finden wir auch noch ganz andere Sachen?
Es freut mich jedenfalls, dass ihr mitkommen wollt."

Die Elfe nickte lediglich.

Dann legte sie den Kopf schief, fragte: "Wann wollt Ihr losziehen?"
Sie hauchte in ihre Fäuste, um diese zu wärmen

"Nun, ich habe momentan keine anderen Pläne . . also denke ich, dass ich mich so bald wie möglich auf den Weg machen werde. Habt ihr denn noch andere Sachen, die ihr zuerst erledigen müsst?"
Auch Glângaw bemerkte, dass es etwas kühl geworden war und legte noch einige Holzscheite auf das Feuer. Das sollte sie wohl warm halten können.

"Ich denke, ich muss noch eine Lieferung in die Stadt bringen. Obwohl - das kann ich auch später machen. Doch ansonsten - nein, nicht wirklich. Ich wäre also aufbruchbereit.", meinte die Elfe mit zuckenden Schultern.