Das Lagerfeuer

Sofort schnappte Corykin es sich und hiefte es hoch - um im gleichen Moment die Füße unterm Boden zu verlieren. Einen Moment später landete die Klinge des Schwertes haaresbreit neben ihr, schlug auf den Boden auf, um dann danach liegen zu bleiben. Corykin lag mit offenem Mund da, den sie sofort zuklappte und nur ein "Ups!" mit einem daraufhin folgenden Grinsen von sich gab.

Der Geschmack des Krauts war leicht süßlich. Und trug einen Hauch von Verwesung.

Ísólfur griff sofort zu. Nicht nach seinem Schwert sondern nach der Gnomin. Er riss sie auf die Füße und und sah sie ernst an.

"Alles in Ordnung... habt ihr euch was getan?"

Noch während er sie das fragte, hob er sein Schwert vom Boden und lächelte entschudigend in Richtung seiner Gastgeberin.

"Ich sagte doch ihr sollt vorsichtig sein. Und nun verratet mir doch lieber, was das hier für Kraut ist... es schmeckt stark süß... und das ist nicht unbedingt das, was ichmir unter Tabak vorstelle..."

Von dem Jagddolch in seinem Stiefel erzählte er der Gnomin lieber nichts, sonst schnitt sie sich wohlmöglich damit noch die Arme auf... ungeschickt, laut und schrill. Eine typische Gnomenfrau.

"Ging mir nie besser!", sagte sie und sprang auf die Beine. Schnell überprüfte sie, ob noch ihre beiden Ohren dran waren und grinste vor Glück.

"Ja, also, was das genau ist, weiß ich auch nicht. Das waren so ein paar Pflanzen, die so ein Magier in die Kanalisation geschmissen hatte. Und da dachte ich mir: 'Corykin', dachte ich mir 'daraus kannst Du sicher mal ein gutes Düngemittel für Deine Steckrüben machen. Oder es rauchen, wenn es nicht düngen will.' Und da die Steckrüben damit nicht schneller wuchsen, habe ich es als Tabak genommen. Toll, nicht?" Noch breiter grinsend blickte sie ihn begeistert an.

"Äh... ja... ganz toll." Ein leicht angewidertes Gesicht machend, sah er auf seine Pfeiefe, und er versprüte leichten Brechreiz. Kraut aus der Kanalisation, wie widerlich. Die Lust aufs Rauchen war im gründlich vergangen. Er säuberte die Pfeife und steckte sie weider weg.... das Zeug war wiederlich.

"Aber ich danke euch trotzdem dafür, dass ihr es mir gegeben habt." sagte er zu der Gnomin, auch wenn sie nervend war, musste man höflich bleiben, schließlich war sie es auch.

"Jaaa, nicht wahr? Damit habe ich schon sämtliche Warzen kuriert. Ich frage mich, wenn man eine Kröte mit einreibt, ob die dann auch keine Warzen mehr hat. Aber ich glaube, die wird man auch mit Hexen los, habe ich gehört. Allerdings habe ich keine Hexe da, um die an einer Kröte auszutesten. UUUUuuund ich habe auch keine Kröte da. Habt Ihr vielleicht eine Kröte oder eine Hexe? Vielleicht geht es auch mit Fröschen! Es muss mit Fröschen gehen. Habt Ihr schon einmal einen Frosch mit Warzen gesehen? Allerdings frage ich mich, warum Hexen mit denen herumschmusen, ... Oooooh, so viele Fragen... mögt Ihr eigentlich Steckrüben?"

Ísólfur wurde von der Fülle an Fragen total überwältigt. Er wusste überhaupt nicht, worauf er zuerst antowrten sollte, und das laue und schnelle Gerede der Gnomin war nicht sehr hilfreich, um seine Kopfschmerzen zu lindern.

"Äh... nein, ich habe weder Kröten, noch Frösche oder Hexen. Und Steckrüben?... also ich weis nicht... als Proviant sicherlich nützlich..."

Er stöhnte leise und massierte seine Schlfen.

"Verzeiht, aber ich bin zur Zeit etwas geplagt... und langwierige Diskussionen ermüden mich schnell..."

"Oh ja.", bestätige Corykin mit einem heftigen Nicken.
"Das kenne ich sehr wohl! Da war ich bei einem Alchimisten und der erzählte soooooo viel. Über Flaschen, Flüssigkeiten, Maschinen, was man alles tun soll und nicht und was alles wirkt und nicht und ging gar nicht darauf ein, was BUMM macht. Da habe ich einfach ein paar Flaschen gemischt und als er in seinem Erzählschwall nach mir schaute, da wurde sein Gesicht erst grün, dann rot, genauso wie die Getränke in seinen Flaschen. Das war vielleicht lustig. Und dann hat es BUMM gemacht! Und WAS für ein BUMM!
Und ich bin geflogen! Wie auf einem Drachenodem. Ich bin zwar nie auf einem Drachenodem geritten, aber genauso fühlt man sich ganz sicher. DAS war vielleicht toll!
Leider treffe ich den Alchimisten nicht mehr. Ich hätte zwar schwören können, dass ich ein Gesicht im Fenster von seinem neuen Haus gesehen habe, aber es hat keiner geantwortet, als ich geklopft habe.
Hey, kennst Du vielleicht einen Alchemisten, der einen Lehrling braucht?", fragte sie hoffnungsvoll.

Mit einem Lächeln packte Cythi die Gnomin am Nacken und meinte: "Nun ist aber gut, meine Liebe. Nicht jeder spielt gerne mit dem Feuer. Gib unserem Gast ein wenig Ruhe."

Sie blickte zu Ísólfur und zu dem Rukhna-Anbeter. "Vielleicht möchte jemand eine Geschichte aus seinem Leben erzählen? Weit bin ich nicht herumgekommen und mich interessiert, wie es in der Welt aussieht."

Das Gebrabbel der Gnomin hatte ein Ende, und Ísólfur war Cythi enorm dankbar dafür.

"Ihr wollt eine Geschichte hören, weil ihr nicht wisst, wie es in der Welt aussieht?... Nun Onyxflügel, was gäbe ich dafür, eure Unwissenheit zu teilen. Glaubt mir, die Welt ist kalt, hart und grausam, und Unwissenheit ist ein wahrer Segen.
Die Gerechtigkeit existiert nur noch akls Wort, und Undank ist aller Welten Lohn."


Sein Blick schweifte ab. Er sah sich selbst nun wieder auf dem Schlachtfeld stehen... und die grässlichsten Dinge geschahen alle in seinem Leben.

"Das stimmt nicht.", protestierte Cythi. Es ist wohl wahr, dass nicht jedes Leben gerecht ist. Und es stimmt auch, dass es Vieles gibt, das nicht gerecht ist. Aber dazu gehören auch gute Dinge. Es gibt auch Güte und Fürsorge, die nicht gerecht sind, denn sie sind nicht neutral. Aber sie sind die andere Seite. Sie sind die andere Seite der Medaille, die auch existiert.

Unwissen ist die Grundlage, dass wir nicht diese Ungerechtigkeit in uns lassen können. Wir wollen nicht verstehen und sind blind, weil wir den anderen für etwas verurteilen, was wir nicht sind. Gäbe es mehr Wissen, würden wir viel mehr im Einklang leben."

"Schon komisch, dass wir es als gerecht betrachten, wenn uns etwas Gutes wiederfährt, aber seltsamer noch, dass wir als ungerecht betrachten, was uns Leiden lässt. Das Leid ist eine konstante Größe in der Welt, und selbst mit allem Wissen kann man es nicht aus dem Leben verbannen... fast alle lebenden Rassen definieren ihre eigene Natur durch Schmerz... durch Leid.
Aber genug davon... die Erinnerungen sind nicht besonders schön..."

Verständnislos blickte Cythi ihren gegenüber an. "Warum eigentlich? Es ist doch schön, wenn sich alle gemeinsam versammeln, der Natur huldigen und danken, dass sie uns genug Sonnenschein spendet, Wasser gibt, Nahrung gibt, uns Ohren gab, dass wir der Natur und dem Leben lauschen dürfen... oder ist das dort, wo Ihr herkommt, nicht möglich?"

"Das meine ich nicht. Auf der Welt wird es immer Böses geben, und auch wenn es Gutes gibt, so überwiegt das Böse bei weitem. Nicht einmal dann, wenn eine Gute Tat hundert Böse nichtig macht... nicht einmal dann könnte man von Gerechtigkeit oder Balance reden.

19 Jahre härtester Drill den ihr euch vorstellen könnt, 2 Jahre blutigster Krieg, 6 Jahre grauenhafteste Folter, und danach 3 weitere Jahre bestialischer Krieg... dann 4 Jahre eine einsame und von Trauer geprägte Reise, und nun sitze ich hier. Das ist mein Leben gewesen...

Und ihr sprecht von Schönheit der Natur?... Ich habe das Licht des Guten vor meinen Augen sterben sehen... verzeiht, aber ich kann eure Ansichten nicht teilen, auch wenn ich sie respektiere..."

"Ihr könnt so wenig behaupten, dass Ihr das Gleichgewicht kennt, wie auch ich es kann. Ich wuchs in einer behutsamen Welt auf. Natürlich gab es Zwist, doch herrschte stets Liebe und Harmonie als oberstes Gebot. Liebe, Harmonie, Einklang und Wissen. Als ich hinausschritt, empfand ich die Welt als grausam und die Zivilisation als barbarisch.

Und doch sehe ich mich um. Ich sehe, dass Bettler einander Brot teilen, dass Händler weg sehen, wenn Kinder einen hungrigen Apfel klauen, anstelle auf ihr Recht zu beharren. Und ich sehe, dass selbstsüchtige Diebe und Mörder auch Reue zeigen können, dass gute Personen nicht nur Schlechtes vollbringen, sondern auch, dass Personen ohne jede Moral und ohne jeden Anstand ihr Essen und Trinken teilen können. Die Welt ist nicht minder gut als böse. Aber das Böse stößt mehr und schlimmer auf, das Gute wird ignoriert. Das macht es an sich schwieriger, ein Urteil zu fällen."

Ísólfur schüttelte nur resigniert den Kopf. Es hatte nicht im geringsten Sinn, mit dieser Elfe zu diskutieren.

"Ich werde mich mit euch nicht streiten. Ich bin euch dankbar für eure Gastfreundschaft,aber ich denke dennoch, wir sollten das Thema auf sich beruhen lassen. Ausserdem fühle ich mich ohnehin nicht gerade in der Lage zur Zeit eine passable Diskussion führen zu können, verzeiht."

Er stöhnte leicht und schloss die Augen während er sich wieder die Schläfen massierte.

Wieso kommt immer nur dieselbe Antwort von allem?, dachte sie schmollend, schaute gleich daraufhin besorgt. "Geht es Euch nicht gut?"

Sie hoffte, dass es nur Müdigkeit und nichts ernstes war. Sie hatte ein wenig Ahnung von Magie, wenn sie noch welche besessen hätte. Handwerklich dagegen konnte sie so gut verarzten wie ein Stein.

"Nein es ist nichts..." gab er lächelnd zurück und sah danach die Elfe wieder fester an.

"Nur Kopfschmerzen. Die Erinnerungen drängen mal wieder nach außen, und der Alkohol hält sie zurück...aber egal, alte Geschichte eines alten Narren. Die wollt ihr nicht hören...

Aber ich hätte gern noch etwas Wein, wenn es ginge"

Er lächelte sie leicht gequält an und hoffte, dass er einen ruhigen Platz für die Nacht finden könne...

Sie nickte freudig, holte die Karaffe und schenkte erneut von dem lieblichen, alkoholischen Nektar nach. Erst dem Gast, dann sich selbst.

"Es ist reichlich da. Meine Verwandten sandten mir Fässer. Morgen mag es vielleicht auch das ein oder andere Klare geben. Jedoch wollte ich das eher gering halten.", gab sie mit Bedenken zu.

"Ich habe die Wirkung von diesem... brennenden Getränk nicht immer als gut in Erinnerung."

"Oh glaubt mir, Alkohol ist NIE gut. Das einzige was ihr davon habt, ist die Flucht aus der Realität, und diese rächt sich grausam dafür. "

Er nickte dankend und trank den Kelch mit einem Zug halb leer.

"Und sagt, wie kommt ihr dazu, einfach so wildfremden hier Speis und Trank anzubieten? Warum seid ihr so großzügig?"

"Sagen wir, ich bin eine Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Das dürfte es am passensten Treffen.", erwiederte sie mit einem Zuprosten.

"Es gibt keinen weiteren Grund. Nun, vielleicht die Neugierde, wer sich hier alles versammelt."

"Gar sonderliche Gestalten..." murmelte er kaum hörbar und sah dabei zu dem fremden Krieger und der kleinen Gnomin hinüber, die ihm trotz ihres schrecklichen Konversationsbedürfnisses recht sympathisch war.

"Aber immerhin finden sich auch noch einige alte Irre wie ich hier her, um etwas trinken zu können. Ich danke euch"

"Nun, dem Wein bin ich selten abgeneigt, aber ich schätze, dass er anders ist als das, was die meisten als Wein erachten." Sie überlegte.
"Es ist seltsam: Unseren Wein kann ich trinken wie Nektar, aber den herben - den vertrage ich nicht. Und dieses... dieses klare Zeug... Schnaps? Nun, das vertrage ich noch weniger.
Dagegen kippen Zwerge und Menschen immer von unserem Wein um, können jedoch Fässerweise dieses ... Bier? trinken. Ich verstehe es nicht."

"Verstehe... nun, ich trinke alles, was mich vergessen lässt."

Mit diesen Worten stürtzte er den Rest des Kelchinhaltes hinunter, und rieb sich dann erneut kurz die Schläfen. DAnn erhob er sich und sah sich noch einmal um bevor er sprach.

"Ich danke euch für den Wein. Doch ich denke, ich sollte nun irgendwo einen Schlafplatz finden. Vielleicht im nächsten Dorf... dort gibt es bestimmt einsame Näherinnen, die mich bei sich aufnehmen, und denen ich mich dann erkenntlich zeigen muss... oder auch nicht. Wir werden sehen."

"Ihr könnt auch gerne hier nächtigen. Die Stelle ist ruhig und derer geweiht, die nicht die Waffe gegeneinander ziehen werden..." Sie überdachte seine Worte. Irgend etwas kam ihr seltsam vor. Dann weiteten sich ihre Augen.

"Oh... ähm... es sei denn, Ihr zieht ein Bett vor... also... das sei Euch natürlich nicht zu verdenken."

"Oh, glaubt mir, ich habe schon an viel schlimmeren Stellen nächtigen müssen, als hier an einem wärmenden Feuer. Ich denke, ich werde die Nacht wohl doch hier verbringen. Vorausgesetzt, die anderen Gäste fühlen sich durch meine Anwesenheit nicht gestört..."

Er schielte wieder zu dem fremden Krieger, der jetzt schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt oder getan hatte.